Der Wechsel von WordPress zu ClassicPress im Test

Der Wechsel von WordPress zu ClassicPress im Test

Seit Anfang März ist ClassicPress als Alternative zu WordPress offiziell verfügbar. Der Wechsel soll sich ganz einfach mit einem Plugin bewerkstelligen lassen. Ob dem wirklich so ist, erfährst Du in diesem Testbericht.

Bei ClassicPress handelt es sich um einen sogenannten Fork von WordPress. So werden bei Open Source Softwareprojekten Abspaltungen genannt.

Ein Fork ist in der Regel nichts verwerfliches sondern bei Open Source Projekten gang und gäbe und teilweise auch erwünscht. WordPress selbst startete im Jahr 2003 als Fork von B2/cafelog.

Je größer und umfangreicher ein Projekt wird, desto unwahrscheinlicher werden Forks. Spaltet sich ein neues Projekt von einem so langjährigen und erfolgreichen Projekt wie WordPress ab, dann ist das ein Zeichen für große Unzufriedenheit mit der Richtung, in die sich das Projekt entwickelt.

Warum ClassicPress?

Bei aller Sympathie, die WordPress in der Community genießt, gibt es auch Kritik am Projekt. Die Kritikpunkte sind zum Teil nicht neu. Nachfolgend führe ich einige Punkte an, ohne weiter auf Details einzugehen und ohne diese bewerten zu wollen.

Im Wesentlichen geht es um die Rolle, die Matt Mullenweg, der „Vater“ von WordPress, und sein Unternehmen Automattic spielen.

Da ist zum Beispiel die verwirrende Verwendung des Namens WordPress.
Die WordPress Foundation ist Eigentümerin der Marke WordPress. Die Website wordpress.org ist die Heimat des Open Source Projekts WordPress.

Die Verwendung von „wordpress“ in Domain-Namen ist abseits des Open Source Projekts strikt untersagt – außer für wordpress.com, das vom kommerziellen Unternehmen Automattic betrieben wird. Für Einsteiger ist das sehr verwirrend und führt häufig zu Verwechslungen (siehe den Artikel Was ist der Unterschied zwischen wordpress.org und wordpress.com?).

Neben dem Domain-Namen wird auch die Bezeichnung „WordPress“ sowohl für die Open Source Software als auch für die kommerzielle Plattform verwendet. So bewirbt Automattic sein kommerzielles Angebot beispielsweise mit Aussagen darüber, wie weit verbreitet WordPress ist – ohne dabei irgendwie kenntlich zu machen, dass sich die Zahlen auf die Nutzung der Open Source Software an sich beziehen und nicht auf die Nutzung der eigenen Plattform.

WordPress ist eine kostenlose Software. Bei wordpress.com hingegen handelt es sich um ein kommerzielles Angebot eines kommerziellen Unternehmens.

wordpress.com ist ein kommerzielles Angebot

Ebenso wird häufig kritisiert, dass das Antispam-Plugin Akismet mit WordPress ausgeliefert wird. Das Plugin nutzt den Dienst akismet.com, der von Automattic betrieben wird. Akismet ist also kein WordPress-Projekt, sondern ein Plugin einer kommerziellen Firma, das mit WordPress gebündelt wird.

Generell werden immer wieder einmal Stimmen laut, wonach Regeln, die jeder Entwickler einhalten muss, damit sein Plugin in das Plugin-Verzeichnis von wordpress.org aufgenommen wird, nicht für Automattic zu gelten scheinen.

Dazu kommt, dass WordPress ein Open Source Projekt ist, an dem eigentlich jeder mitarbeiten kann. Fakt ist aber, dass es sich bei einem Großteil der Entwickler um Mitarbeiter von Automattic handelt, die den Interessen ihres Arbeitgebers verpflichtet sind. Relevante Positionen, an denen Entscheidungen gefällt werden, sind mit Automattic-Mitarbeitern besetzt.

Schon öfters wurde deshalb kritisiert, dass die Entwicklung von WordPress hauptsächlich in eine Richtung vorangedrängt wird, die für die kommerziellen Interessen von Automattic relevant ist. Über all dem thront Matt Mullenweg als Benevolent Dictator for Life, von dem alle großen Entscheidungen die Richtung des Projekts WordPress betreffend ausgehen. Wünsche und Stimmen aus der Community scheinen teilweise nicht gehört zu werden.

Die Integration des Editors #gutenberg in den Kern von WordPress mit #wpversion 5.0 ist ein Beispiel dafür, dass viele Stimmen einfach überhört und die von Matt Mullenweg vorgegebene Richtung trotz starkem Gegenwindes aus der Community durchgezogen wurde. Dieses Vorgehen hat schließlich auch zum Start des Projekts ClassicPress geführt.

Was genau ist ClassicPress?

Häufig wird ClassicPress als „WordPress ohne Gutenberg“ bezeichnet. Das ist natürlich nicht falsch. Aber eben auch nicht wirklich richtig.

Das Hauptaugenmerk von ClassicPress liegt in der Organisation des Projekts. Die Weiterentwicklung soll streng demokratisch durch die Community bestimmt werden.

Der Verzicht auf den Editor Gutenberg ist dabei nur der erste logische Schritt. Bei der ersten Version von ClassicPress handelt es sich im Wesentlichen um WordPress 4.9 mit einigen Anpassungen. Darüber hinaus wurden auch die beiden Plugins Akismet und Hello Dolly konsequenterweise aus der Installation entfernt.

Ebenso werden im Dashboard keine WordPress-Veranstaltungen angezeigt. Stattdessen werden sogenannte Petitionen angezeigt. Dabei handelt es sich um Vorschläge, die für die weitere Entwicklung von ClassicPress eingereicht werden können und für die jeder abstimmen kann.

Die Anzeige von Petitionen im Dashboard von ClassicPress

Außerdem wurde bei der Installation von Plugins und Themes jeweils der Reiter „Vorgestellt“ entfernt. In WordPress werden hier Plugins bzw. Themes prominent hervorgehoben. Das sind beispielsweise großteils Plugins von Automattic oder von Projekten, die von Automattic finanziert werden.

In künftigen Versionen von ClassicPress sollen weitere Funktionen, die in der Vergangenheit in den Kern von WordPress integriert wurden, ebenfalls wieder entfernt und optional als Plugins bereitgestellt werden. Als mögliche Kandidaten werden in der Roadmap XML-RPC, Gravatar, die REST API sowie Emoji-Unterstützung genannt.

ClassicPress ist demnach weit mehr als WordPress ohne Gutenberg. Es ist WordPress ohne den überproportionalen Einfluss von Matt Mullenweg und seinem Unternehmen Automattic auf das Projekt.

No single person within any of these groups has the power to force through a valid Topic which affects ClassicPress. This ensures that we stay true to our goal of being a community-led fork.

The ClassicPress Democracy – www.classicpress.net/democracy

Die Migration von WordPress zu ClassicPress im Selbstversuch

Der Test ist nicht wirklich praxisnah, da ich eine nackte Installation von WordPress ohne Inhalte und ohne Plugins auf ClassicPress migriere.

Da es sich beim Wechsel zu ClassicPress derzeit aber im Prinzip um ein Downgrade auf WordPress 4.9 handelt, sollte die Migration auch bei umfangreichem vorhandenen #content und bei Nutzung einer Menge an Plugins unproblematisch sein. Derzeit gibt es lediglich einige wenige bekannte Plugin-Konflikte, die sich alle leicht lösen lassen.

Die schlichte ClassicPress Website ist derzeit nur auf Englisch verfügbar.

Die Homepage von ClassicPress

Gleich auf der Startseite befindet sich ein Button, der zur Anleitung für die Migration führt. Ein kurzes Video ist ebenfalls vorhanden.

Die Anleitung zur Migration von WordPress zu ClassicPress

Für den Wechsel von WordPress wird ein #plugin zur Verfügung gestellt, das als ZIP-Datei heruntergeladen und manuell in WordPress installiert werden muss. Aus nachvollziehbaren Gründen ist wohl nicht damit zu rechnen, dass das ClassicPress Migrations Plugin jemals über das wordpress.org Plugin-Verzeichnis verfügbar sein wird.

Download des ClassicPress Migrations Plugins von GitHub

Nach dem Download der ZIP-Datei von GitHub wird diese in WordPress hochgeladen.

Manueller Plugin Upload in WordPress

Dazu muss lediglich die vorher heruntergeladene ZIP-Datei ausgewählt werden. Diese wird automatisch entpackt und das darin enthaltene Plugin sofort installiert. Es muss nur noch aktiviert werden.

Installation des ClassicPress Migrations Plugins in WordPress

Das Aktivieren des Plugins startet den Migrationsprozess nicht sofort. Die Migration kann entweder direkt aus der Plugin-Liste gestartet werden oder über einen Eintrag im Werkzeuge-Menü.

Nach der Installation des ClassicPress Migrations Plugins kann die Migration gestartet werden

Vor der eigentlichen Migration werden einige Prüfungen durchgeführt. Wie im folgenden Screenshot ersichtlich, wird bei der ersten Prüfung auf meiner Test-Installation ein Hinweis angezeigt.

Hier wird darauf hingewiesen, dass Inhalte, die bereits mit dem neuen Block Editor erstellt worden sind, in ClassicPress möglicherweise nicht korrekt dargestellt werden. Das ist sehr vorbildlich, dass darauf hingewiesen wird.

Dieser Hinweis erscheint nur dann, wenn von WordPress 5.0 oder neuer auf ClassicPress migriert wird.

Das Ergebnis der Prüfung vor dem Start der eigentlichen Migration von WordPress zu ClassicPress

Außerdem wird darauf hingewiesen, dass man ein Backup durchführen sollte bevor die Migration ausgeführt wird. Weiter unten gibt es einige weitere Infos zum Migrations-Prozess.

Hier wird erklärt, dass lediglich WordPress selbst durch ClassicPress ersetzt wird. Die Migration hat weder Einfluss auf das Theme noch auf die Plugins. Außerdem wird deutlich darauf hingewiesen, dass keinerlei Änderungen am Inhalt vorgenommen wird.

Diese Erklärung gefällt mir sehr gut. Sie ist kurz gehalten und nicht unnötig detailliert. Trotzdem erfährt man ziemlich genau, was passiert.

Die Migration dauert nur wenige Sekunden. Nach der eigentlichen Migration wird eine Info angezeigt, wie man sie auch von WordPress-Updates kennt.

Erfolgreiche Migration von WordPress zu ClassicPress

Der Wechsel von WordPress zu ClassicPress ist mit dem Migrations Plugin tatsächlich problemlos und inklusive Backup innerhalb weniger Minuten erledigt.

Die sichtbaren Unterschiede nach der Migration halten sich in Grenzen. Am meisten fällt das geänderte Logo auf.

Als Entwickler kann ich natürlich nicht anders und muss einen Blick in den Code des Plugins werfen. Die Migration nutzt die standardmäßige Update-Funktion von WordPress. Im Prinzip wird lediglich die Quelle für den Download auf den Server von ClassicPress geändert. Eine sehr saubere Lösung.

Fazit

Wer ClassicPress lediglich als WordPress ohne Gutenberg Block Editor sieht, mag die Abspaltung möglicherweise für übertrieben halten. Das ließe sich schließlich auch mit Nutzung des offiziellen Classic Editor Plugins lösen.

Die Integration von Gutenberg in den Kern von WordPress gegen die vielen Stimmen aus der Community war laut den Initiatoren des Projekts lediglich der letzte Tropfen, der den Anstoß zum Start von ClassicPress lieferte.

ClassicPress ist nicht der erste Fork von WordPress, hat aber im Zuge der hitzigen Diskussionen um Gutenberg einiges an Aufmerksamkeit erhalten. Das Projekt scheint mir durchaus gut aufgestellt zu sein und bereits vom Start weg langfristig zu planen. Das lässt hoffen, dass es nicht wie viele andere ambitionierte Open Source Projekte bald wieder verschwindet.

Die strikte Ausrichtung auf die Community ist ein deutlicher Weckruf an WordPress. Wäre der Unmut über die dominante Rolle eines einzelnen kommerziellen Unternehmens im Projekt nicht so groß, würde es diesen Fork nicht geben.

Was auch immer das langfristig für beide Projekte bedeutet – ClassicPress leistet damit einen wichtigen Beitrag für die Open Source Community.

Wer darauf Wert legt, dass die Richtung eines Open Source Projekts strikt durch basisdemokratische Entscheidungen festgelegt wird – wie es eigentlich im Sinne von Open Source wäre – und nicht hauptsächlich durch eine einzelne Person bestimmt wird, wird sich eher früher als später für einen Wechsel zu ClassicPress entscheiden.

Der Wechsel von WordPress zu ClassicPress ist sehr einfach und sollte auch bei umfangreicheren Websites problemlos sein. Die Unterschiede sind derzeit noch gering, sodass ein Wechsel auch keine großen Rätsel aufgibt. Wie es mittelfristig mit der Kompatibilität von ClassicPress zu WordPress aussieht ist gerade mit Blick auf die weiteren Phasen des Gutenberg-Projekts fraglich.

Aktuelle Zahlen zur Nutzung von ClassicPress konnte ich leider keine finden. Eine Empfehlung für oder gegen ClassicPress möchte ich nicht abgeben. Auf jeden Fall ist es eine aus meiner Sicht ernst zu nehmende Alternative.

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2 Kommentare

    1. Hallo Albert,

      der Weg zurück sollte völlig problemlos sein. ClassicPress verwendet die Datenbank-Struktur von WordPress. Das bedeutet, dass es keinerlei Datenverlust gibt. Mit dem Plugin „Switch to ClassicPress“ geht das sogar sehr komfortabel. Dort klickst Du auf „Show advanced controls“. Dann wird Dir ein Eingabefeld angezeigt, in dem Du angeben kannst, von wo aus ClassicPress die Installation herunterladen soll. Anstatt einer ClassicPress Installation kannst Du hier auch einfach eine WordPress Installation angeben. Die jeweils aktuellste WordPress Version ist immer über https://wordpress.org/latest.zip erhältlich. Ich habe das selbst bereits getestet und es hat einwandfrei funktioniert. Trotzdem solltest Du zur Sicherheit lieber vorher ein Backup machen.

      LG
      Peter

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