Wie viel Gutenberg steckt im WordPress Editor Gutenberg?

Wie viel Gutenberg steckt im WordPress Editor Gutenberg?

Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg hat die Buchproduktion nachhaltig revolutioniert. Durch die Namenswahl hat sich das Gutenberg-Projekt die Latte selbst ganz schön hoch gelegt. Wird der neue Editor diesem Anspruch gerecht?

Neben der eigentlichen Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern erfand Johannes Gutenberg um 1450 auch gleich einen Apparat zur effizienten Herstellung der Lettern. Außerdem entwickelte er eine Metall-Legierung, aus der sich diese praktikabel herstellen ließen, sowie eine für sein neuartiges Druckverfahren geeignete Druckfarbe. Zudem entwickelte er auch die Druckerpresse und lieferte damit im Alleingang alle Komponenten zu einem effizienten Produktionsprozess für Bücher.

Mit Gutenbergs Verfahren ließen sich Bücher plötzlich wesentlich schneller, billiger und in viel größeren Mengen herstellen. Seine Erfindungen führten dazu, dass sich nicht mehr nur eine kleine reiche Oberschicht Bücher leisten konnten sondern machten sie zum Massenprodukt für alle. Damit stand die Möglichkeit zur Bildung viel mehr Menschen als jemals zuvor offen. Auch der Druck von aktuellen Zeitungen wäre ohne seinen Erfindergeist niemals möglich gewesen.

Gutenbergs Buchdruck gilt als die bedeutendste Erfindung des zweiten Jahrtausends und er selbst als Mann des Jahrtausends.

Diesen Mann wählte sich das Gutenberg-Projekt als Namenspatron. Derart revolutionär und großartig sollte der neue Editor und darauf folgend das Konzept der Blöcke für WordPress werden. Ganz schön mutig, sich selbst die Latte so extrem hoch zu legen.

Die Idee, bestehende unterschiedliche Konzepte innerhalb von WordPress mit dem neuen Block-Konzept zu vereinheitlichen, ist auf jeden Fall revolutionär. Auch der neue Editor #gutenberg ist im Vergleich zum bisherigen Editor #tinymce eine revolutionäre Neuerung. Aber nur weil etwas revolutionär neu ist, bedeutet das noch lange nicht, dass es auch besser als das ist, was es ablöst.

Die Erfindungen von Johannes Gutenberg waren revolutionär und sie waren eine dramatische Verbesserung. Kann der neue Editor, der derzeit noch als #plugin verfügbar ist, mit #wpversion 5.0 aber in den Kern von WordPress wandern soll, diesem selbst gestellten Anspruch gerecht werden?

Macht Gutenberg WordPress besser?

Ob WordPress durch die Integration des Gutenberg-Editors besser wird, ist weit mehr als nur eine philosophische Frage. Wenn WordPress durch den neuen Editor tatsächlich besser wird, dann gehört er auch unbedingt in den Kern. Wenn es sich dabei aber mehr um eine nette Erweiterung handelt, die WordPress substantiell nicht wirklich weiter bringt, dann sollte der Editor eher weiter ein Plugin bleiben.

Der Tenor aus den derzeitigen Rückmeldungen geht ganz klar dahin, dass sich viele Nutzer von WordPress Gutenberg auch künftig als Plugin wünschen. Als Option und nicht als Kernfunktion. Aus meiner Sicht ist dieser Zug abgefahren. Zu lange und zu oft hat WordPress Mastermind Matt Mullenweg dafür Gutenberg schon als den neuen Standard-Editor für WordPress angekündigt. Eine kritische Beschäftigung mit der Frage sei aber trotzdem erlaubt.

Viele der negativen Rückmeldungen zu Gutenberg kann ich persönlich nicht nachvollziehen. Die Oberfläche halte ich für gut gelungen. Natürlich gibt es Dinge, die noch verbesserungswürdig sind wie beispielsweise die Drag & Drop Funktionalität – aber hier wird sich bestimmt in nächster Zeit noch so einiges weiterentwickeln.

Gutenberg ist mehr als nur ein Editor. Gutenberg ist meiner Ansicht nach aber auch kein Page Builder, als was er häufig bezeichnet wird. Vielmehr halte ich ihn für eine Kreuzung aus Editor und Page Builder. Und das meine ich nicht negativ. Ganz im Gegenteil.

Ist Gutenberg ein besserer Page Builder?

Was mich betrifft – ich mag keine Page Builder. Häufig haben Seiten, die mit einem Page Builder gebaut wurden, eine schlechte #performance. Und wenn man das Plugin deaktiviert, funktionieren die Seiten meist nicht mehr. Der erzeugte HTML-Code ist grausam und mir würden noch mehr Gründe einfallen.

Zum Teil mögen das Vorurteile sein. Zum Teil mag es Page Builder geben, die das Eine oder Andere besser machen. Aber ich bin eben Purist. Und auf jeden Fall kann man mit jedem Page Builder jede Seite komplett ruinieren. Kein noch so sauber designtes #theme schützt vor dem Anwender, der jede Seite anders formatiert, zig Schriftarten in unterschiedlichsten Größen und abartige Farbkombinationen verwendet. 

Hier ist Gutenberg meiner Meinung nach anders. Während sich andere Page Builder quasi über WordPress stülpen, integriert sich Gutenberg in WordPress. Zwar kann man unter Verwendung von Gutenberg auch jede Seite vergrausamen aber die grundsätzliche Struktur wird vom Theme vorgegeben und bleibt in jedem Fall erhalten.

Soweit ich bisher feststellen konnte ist der durch Gutenberg erzeugte HTML-Code wesentlich sauberer als das, was andere Page Builder liefern und die erstellten Seiten funktionieren auch dann noch, wenn man Gutenberg deaktiviert.

Damit ist Gutenberg für mich ein Kompromiss. Kein reiner Editor mehr. Aber auch kein richtiger Page Builder. Und das ist gut so. 

Ist WordPress mit Gutenberg denn überhaupt noch WordPress?

WordPress ist ein Content Management System (CMS). Ein solches dient der Verwaltung des Contents, also des Inhalts. Das Design wird dabei vom Inhalt komplett getrennt. Erst bei der Anzeige wird die Darstellung des Inhalts formatiert.

Darum kümmert sich ein Skin – bei WordPress Theme genannt. Im Theme ist definiert, was wie auszusehen hat. Design-Änderungen müssen damit nur an einer einzigen Stelle vorgenommen werden. Und bei einem Wechsel des Themes sehen alle Seiten anders aus.

Ein Page Builder bricht diese Systematik auf. Design-Elemente, die bei sauberer Trennung ins Theme gehören würden, wandern in den Inhalt der Seiten. Wenn man auf jeder Seite herumformatieren kann, was wie groß geschrieben werden soll, wenn man Farben, Abstände und die Darstellung von Bildern beliebig einstellen kann, dann macht man damit eine wesentliche Hauptaufgabe eines CMS zunichte.

Die Nachteile liegen auf der Hand. Das CMS kann sich nicht mehr um eine einheitliche Gestaltung aller Seiten kümmern wenn jede Seite beliebig gestaltet werden kann. Bei einem Wechsel des Themes bleiben Design-Einstellungen, die mit dem Page Builder vorgenommen worden sind, erhalten und ändern sich nicht mit dem Theme. Nötige Änderungen müssen schlimmstenfalls auf allen Seiten durchgeführt werden.

Trotz dieser Nachteile gehören Page Builder zu den beliebtesten Plugins im  WordPress Ökosystem. Viele Anwender wollen einfach selbst herumbasteln. Es spricht ja auch nichts dagegen, wenn man das mag.

Dass die Macher von WordPress nun mit einem eigenen Produkt dagegenhalten, das sich perfekt in WordPress integriert, ist bestimmt keine schlechte Idee. Diesen Mischling aus Editor und Page Builder halte ich da für die durchaus beste Lösung.

Aber ist das wirklich etwas, was in den Kern von WordPress gehört? Muss man Gutenberg – wie das ja der Plan ist – allen Anwendern als Standard aufdrängen?

Der typische Blogger will seine Artikel möglichst flott tippen. Um die Darstellung sollen sich gefälligst WordPress und das verwendete Theme kümmern. Irgend etwas manuell herumformatieren? Ja nicht. OK, man kann auch mit Gutenberg flott tippen. Aber dann ist es nicht mehr als eine Aufhübschung der Oberfläche. Die hätte man auch dem bisherigen Editor spendieren können. Sämtliche neue Funktionen werden nicht genutzt.

Und wie sieht es mit Online-Magazinen aus? Wie sieht es mit Firmen-Websites aus, die ein Blog als Informationsplattform für Kunden und Interessenten nutzen? Die haben in der Regel mehrere Autoren. Soll jeder Autor jeden Artikel völlig nach Belieben gestalten können? Wirklich nicht. Da muss alles wie aus einem Guss wirken.

Für Betreiber kleiner Websites, die an die Gestaltung einzelner Elemente selbst Hand anlegen möchten, ist Gutenberg eine echte Alternative zu diversen Page Buildern und damit eine richtig feine Sache. Für alle anderen Nutzer von WordPress ist es das eher nicht. Und das nicht aufgrund der Funktionalität oder der Oberfläche von Gutenberg, sondern aufgrund dessen, dass er schlicht und einfach das falsche Werkzeug ist.

Die Einführung von Gutenberg als Standard-Editor von WordPress stellt einen kompletten Paradigmen-Wechsel dar. Es ist das Ende des schlanken CMS, das sich nur auf seine Kernaufgaben konzentriert und alles andere, was man sich vielleicht so wünschen kann, optionalen Plugins überlässt.

Der Editor Gutenberg ist revolutionär für WordPress. Auf jeden Fall. Aber bringt er WordPress einen Riesenschritt nach vorne so wie das von Johannes Gutenberg erfundene Verfahren den Buchdruck? Meiner Meinung nach nicht.

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