Wie geht es mit Gutenberg weiter und wem nützt das eigentlich?
Etwa zwei Monate sind seid meinem letzten Artikel über Gutenberg vergangen. Zwei Monate, in denen sich im Gutenberg-Projekt viel getan hat. Es ist somit Zeit, einen Blick auf den Fortschritt zu werfen. Und eine prinzipielle Frage zu klären.
Was ist passiert?
Auf den ersten Blick hat sich an der Oberfläche seit meinem letzten Test von #gutenberg nichts verändert. Bei genauerem Hinsehen werden dann doch ein paar kleine Änderungen sichtbar und ich muss sagen, dass die Oberfläche noch einen Ticken hübscher geworden ist. Vor allem die Menüleiste ist übersichtlicher geworden wie an folgendem Vergleich zu sehen ist.
Einige Buttons wurden nach links verschoben, bei einigen Buttons wurde die Beschriftung entfernt und einige Funktionen können bei Bedarf eingeblendet werden. Diese Maßnahmen haben der Menüleiste gut getan und sie sieht deutlich aufgeräumter aus.
Ein echtes Highlight der aktuellen Version ist das geänderte Verhalten des Buttons zum Veröffentlichen des Beitrags.
Beim Klicken auf den Button öffnet sich zuerst ein kleines Fenster. Hier muss das Veröffentlichen bzw. Aktualisieren des Beitrags noch einmal bestätigt werden. Das schützt sehr effizient vor dem versehentlichen Veröffentlichen eines noch unfertigen Beitrags. Derzeit kann das leicht passieren. Mit Gutenberg gehört das der Vergangenheit an.
Hier kann auch die Sichtbarkeit eines Beitrags geändert werden ebenso wie das Veröffentlichungsdatum. Und einen bereits veröffentlichten Beitrag kann man hier auf Entwurf zurückstellen. Diese Funktionen sind somit nicht mehr permanent in der Seitenleiste sichtbar. Damit wurde auch die aufgeräumt und ist übersichtlicher.
Weitere Änderungen an der Oberfläche sehe zumindest ich nicht. Aber diese Kleinigkeiten, die mir aufgefallen sind, machen die Oberfläche doch noch übersichtlicher und wirken sich positiv auf die Bedienbarkeit aus. Dass beim Speichern der Button animiert wird hat keine Auswirkung auf die Funktionalität, sieht aber richtig gut aus.
Auch an der Unterstützung für Meta-Boxen wurde inzwischen gearbeitet (siehe Ist es zu früh für Gutenberg?). Zum Testen habe ich das Plugin Yoast SEO installiert und das scheint tadellos zu funktionieren.
Inhaltlich hat sich einiges getan und der Editor macht jetzt einen noch besseren Eindruck als bei meinem letzten Test. Wäre ich ein WordPress-Neuling und wüsste nichts um die Problematik, die mit der Einführung dieses neuen Editors verbunden ist, wäre ich einfach nur begeistert vom neuen #editor.
Wie geht es weiter?
Die größte positive Veränderung aus meiner Sicht ist abseits des eigentlichen Plugins passiert. Endlich gibt es nämlich erste grundsätzliche Informationen aus dem Projektteam. Kommunikation mit der Basis war längst überfällig und hätte viel früher erfolgen müssen.
Die Ankündigung, dass Gutenberg den derzeitigen Editor ab WordPress 5.0 komplett ersetzen soll hat bei Entwicklern von Plugins für Aufregung gesorgt. Es gab keine Informationen, wie Entwickler von der doch massiven Änderung betroffen sein werden. Niemand hat gewusst, was dann noch funktionieren wird und was nicht. Und es gab keinen Anhaltspunkt, wie groß der Änderungsaufwand ausfallen wird, damit das eigene Plugin auch mit Gutenberg noch funktioniert. Dazu kam noch eine Aussage von WordPress-Mastermind Matt Mullenweg, dass #wpversion 5.0 bereits für Anfang 2018 geplant ist. Das sind die Zutaten für eine explosive Mischung und so ist es nicht verwunderlich, dass teilweise sehr emotionale Reaktionen aus den Reihen der Entwickler kamen.
In der Zwischenzeit aber gab es zumindest einige Informationen aus den Reihen der Gutenberg-Entwickler, sodass sich die Wogen etwas geglättet haben. Das heißt nicht, dass es nicht immer noch viele offene Baustellen gibt und nicht immer noch viele Fragezeichen im Raum stehen. Aber wenigstens gibt es Anzeichen dafür, dass die Befürchtungen ernst genommen werden. Lange hatte es nicht diesen Anschein. Es wurde schlicht und einfach zu wenig informiert.
Mittlerweile gibt es beispielsweise erste Aussagen die bereits angesprochene Unterstützung von Meta-Boxen betreffend, die für viele Plugins essentiell ist. Zwar ist hier anscheinend noch einiges zu tun aber es gibt jetzt wenigstens das Bekenntnis der Entwickler, dafür sorgen zu wollen, dass Meta-Boxen sofern machbar weiterhin unterstützt werden sollen. Und dort, wo es nicht möglich ist, soll sich der Aufwand für notwendige Anpassungen in Grenzen halten.
Für große Erleichterung sorgt eine Aussage von Matt Mullenweg selbst.
Gutenberg will ship with WordPress 5.0, but the release will come out when Gutenberg is ready, not vice versa
Damit hat er einiges an Druck aus der ganzen Diskussion herausgenommen. Eine frühere Aussage von ihm wurde nämlich allgemein so verstanden, dass Version 5.0 möglichst schnell auf den Markt geworfen werden soll. Das hat Befürchtungen genährt, dass ein möglichst schnell zusammengeschusterter Gutenberg-Editor ausgeliefert wird.
Wem nützt das eigentlich?
Oder anders gefragt. Wer will eigentlich Gutenberg? Der Editor ist an sich gut. Daran gibt es wenig auszusetzen. Aber warum muss man unbedingt den Standard-Editor #tinymce ersetzen? Warum kann man den Anwendern nicht die Wahl lassen, was sie verwenden wollen?
Ein Erfolgsfaktor von WordPress ist, dass es schlank und einfach zu bedienen ist. Mit Gutenberg wird sich das ändern. Wer möglichst unkompliziert seine Artikel tippen will, der braucht keinen neuen Editor. Und diejenigen, die sich selbst unabhängig vom verwendeten Theme für den Inhalt ein Layout zusammenklicken wollen, können schon jetzt aus einer ganzen Fülle von Page Builder Plugins wählen. Wie zum Beispiel Beaver Builder, Elementor oder SiteOrigin – um nur ein paar wenige zu nennen.
Wozu also noch ein weiterer Page Builder? Und warum muss der unbedingt direkt in WordPress integriert werden? Wenn das WordPress-Team selbst einen Page Editor anbieten möchte, warum dann nicht als Plugin? Oder zumindest als Option und nicht als Zwang?
WordPress ist ein Open Source Projekt und wird von einer großen Community getragen und unterstützt. Wenn sich in dieser Community eine Mehrheit finden würde, die nach einem neuen Standard-Editor verlangt, dann wäre alles klar. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Stimmen aus der Community sind im Allgemeinen eher negativ.
Dabei geht es nicht um Gutenberg selbst. Der Editor an sich ist in Ordnung. Es geht um die Entscheidung, den vielen Millionen von WordPress-Usern einen neuen Standard-Editor aufzuzwängen. Es geht darum, dass viele Entwickler von Plugins gezwungen sind, Aufwand zu betreiben, damit diese Plugins mit WordPress 5.0 auch noch funktionieren. Und es geht darum , dass damit einigen Anbietern von Plugins das Wasser abgegraben wird. Ein erstes Opfer ist bereits zu beklagen.
Warum entscheidet sich das Team hinter WordPress gegen den Rest der Community? Wem nützt das? Darüber kann man nur spekulieren. Aber die Sache scheint doch ziemlich eindeutig zu sein.
Die Software WordPress ist Open Source. Damit ein Projekt in dieser Größenordnung aber funktionieren kann, braucht es personelle und finanzielle Ressourcen. Und diese stammen vom Unternehmen Automattic. Automattic ist es kommerzielles Unternehmen, das den Löwenanteil der Finanzierung der WordPress Foundation trägt. Das gesamte Führungsteam des WordPress-Projekts besteht aus Automattic-Mitarbeitern.
Mit wordpress.com betreibt Automattic eine Plattform, die zur Gänze auf WordPress basiert. Und die verdienen damit richtig Geld (aktuell hat Automattic 644 Mitarbeiter). Das ist auch völlig in Ordnung so – solange sich daraus keine Interessenkonflikte ergeben. Leider lässt sich das aber nicht vermeiden. Berechtigterweise will Automattic Geld verdienen. Schon einige Male gab es durchaus berechtigte Kritik an WordPress, weil Entscheidungen offensichtlich von kommerziellen Interessen geprägt waren.
Gutenberg scheint wieder so ein Fall zu sein. Es hat den Anschein, dass Automattic Gutenberg für wordpress.com benötigt um der Konkurrenz in Form von Medium, Wix, Jimdo & Co etwas entgegenzusetzen. Und wenn die Wartung dieses neuen Wunsch-Editors aufgrund seiner Komplexität als Plugin auf Dauer zu aufwändig wäre, dann muss er eben direkt in WordPress integriert werden. Stimmung in der Community hin oder her. Es geht ums Geld.
Aus Sicht von Automattic macht das Sinn. Und die Stimmung bei den Plugin- und Theme-Entwicklern und bei den Anwendern der Software WordPress – nicht der Plattform wordpress.com – wird sich schon wieder beruhigen. Vielleicht werden einige Themes eingestellt. Vielleicht werden einige Plugins eingestellt. Vielleicht kehren einige Entwickler und Anwender WordPress ganz den Rücken. Aber das fällt nicht ins Gewicht. WordPress hat eine solche Verbreitung erreicht, dass es schon beängstigend in Richtung Monopol-Stellung geht. Und da kann man solche Entscheidungen dann leicht fällen.
So gesehen macht das alles Sinn und so gesehen nützen alle noch so guten Argumente gegen das komplette Ersetzen des bisherigen Editors nichts. Gutenberg wird der neue Standard-Editor und alle WordPress-Entwickler und -Anwender müssen sich damit anfreunden. Tony Perez hat es in seinem Blog auf den Punkt gebracht.
Just because WordPress is democratizing publishing, it doesn’t mean it is a democracy.
Besser kann man es nicht ausdrücken. Dem ist nichts hinzuzufügen.